Dienstag, 13. Dezember 2011

Kondome: In Indien eigentlich immer noch ein Tabu


Dass man auch in Indien mit Werbung viel Geld verdienen kann, hat Sharuk Khan bewiesen. Kein Reklamespot, wo der internationale Superstar seine große Nase nicht hineinhält. Der Schauspieler und Traummann vieler indischer Frauen hat jedoch eine Rolle nicht bekommen. Die ging nämlich an Karl – an meinen Carlo. In einer Moods-Werbung spielt er einen Museumsdirektor.

Und wer nicht weiß, was Moods ist, schaut sich den Spot an, oder noch besser mein Video „The Making Of“.

Nun hat Karl viele Fans in ganz Indien. Längst verloren geglaubte Bekannte  sprechen ihn an auf den Spot. Die meisten finden ihn ziemlich cool. Sein jüngster Fan, ein zwölfjähriger indischer Junge, war ganz begeistert, als er seinen großen Freund im Fernsehen sah. Noch bevor seine Eltern merkten, wer da zu sehen ist, rief er ganz begeistert: „Den kenn ich doch“.
Herausbekommen, wofür Karl Reklame macht, hat der Kleine jedoch nicht. Auch die Nachfrage bei seinen Eltern brachte nichts. Für ein „Health product“ war die ausweichende Antwort seines Vaters.
Nun muss man wissen, dass die Verwendung dieses „Health product“ in Indien nicht gerade gang und gäbe ist. Und dass Karl, als er von Aisha den Telefonanruf erhielt, er solle doch dafür Reklame machen, zunächst dachte, dass es sich um eine staatliche Gesundheitsaktion handelte.

Aber so war das der Reihe nach:
Aisha, eine gute Freundin von uns, rief Karl eines Morgens an. Aisha ist Direktorin ihres eigenen Kindertheaters, wo junge Erwachsene für Kinder spielen. In der Filmstadt Chennai – nicht nur Bombay spielt eine ganz große Rolle beim Film – „leiht“ sie auch Schauspieler aus. Aber als eine Agentur anfragt,  man brauche einen seriös wirkenden Herrn, der einen Museumskurator spielen soll, weiß sie sich erst mal keinen Rat. Dann fällt ihr Karl ein. Ein wenig verlegen ist Aisha schon, als sie erklären soll, worum es eigentlich geht. Dazu muss man wissen, dass der Staat Tamil Nadu nicht gerade für seine Freizügigkeit bekannt ist. So darf man zum Beispiel in Filmen keine sich küssenden Paare zeigen. 

Also fängt Aisha ganz taktisch an, indem sie vorausschickt, dass ihre 80jährige Mutter auch in dem Video mitspielt. „Worum geht es denn nun?“, will Karl wissen, der langsam etwas ungeduldig wird. Außerdem ist er überzeugt, dass er als Schauspieler nichts taugt. Aisha gibt nicht auf, sagt, dass er die perfekte Besetzung für die Rolle ist. Und als er erfährt, dass es um ein Kondom-Video geht, sagt er zu. Schließlich ist es irgendwie für einen guten Zweck. Immerhin ist – was viele nicht wissen – ist die Aids-Rate in Indien ziemlich hoch.
Schon am nächsten Tag ruft Vi von der Agentur an, die Betreuerin für Karl. Er wird vermessen, für einen neuen Anzug, wie es heißt. Glänzende schwarze Schuhe und eine seriöse Krawatte gibt es auch. Und dann ist es soweit. Er wird in ein echtes Filmstudio – Sun Studios – gefahren. Politiker sind ja in Indien oft Filmstars bzw. im Filmbusiness, so dass es nicht verwundert, dass das Studie dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Tamil Nadu, Karunanidi, gehört. Beeindruckend die Größe des Studios, obwohl die technischen Geräte ein wenig an die Stummfilmzeit erinnern.

Und dann verläuft alles wie beim echten Film. Eine riesige Sphinx hat man im Studio aufgebaut. Die wurde in einem Transporter durch ganz Chennai gefahren und sorgte für echtes Aufsehen. Zehn Stunden dauert der Dreh, wovon am Ende ganze zehn Sekunden im Film zu sehen sind. Wo Karl die Sphinx akribisch mit einem Pinsel reinigt und dann - o Schreck - das Dings auf dem Rücken des göttlichen Wesens entdeckt.
 
Karl meint: Die Gage sei, OK, allerdings hätte Sharuk Kahn dafür wahrscheinlich gerade mal seinen Fahrer bezahlt, sagt er.

Jetzt läuft das Video in ganz Indien und man kann nur hoffen, dass die nach Erdbeere und anderen Aromen duftenden Dinger auch hierzulande ihre Fans finden. Auch wenn es sich nicht gerade um eine staatliche Gesundheitsaktion handelt. Die Firma ist lediglich in staatlichem Besitz. Im ganzen Film ist übrigens kein einziges Kondom zu sehen. Nur die Verpackungen. Die mussten nach dem Dreh alle wieder aufgesammelt, in Karton verpackt und zurückgeschickt werden. Vi und das fünzigköpfige Team haben daran noch bis spät gearbeitet.
Text und Fotos: Senya Müller